Vermarktung Petrochemischer Produkte
Treuhandübernahme der Rosneft Deutschland GmbH
16. September 2022

Energie Informationsdienst: „Die Vollvermarktung läuft“

Mit Beginn dieses Jahres hat Rosneft Deutschland GmbH die Wandlung vom reinen Raffineur hin zu einem „kompletten“ Großhändler für Mineralölprodukte abgeschlossen. Jetzt, wo die selbsterzeugten Produkte vollständig unter eigener Marke verkauft werden, überlegt das Berliner Unternehmen, wo weiteres Wachstum möglich ist. Der EID sprach unter anderem darüber mit Brian Chesterman, dem Managing Director von Rosneft Deutschland GmbH.

INTERVIEW MIT BRIAN CHESTERMAN

EID: Mr Chesterman, vor gut vier Jahren haben Rosneft und BP beschlossen, das gemeinsame Raffinerie-Joint Venture Ruhr Oel aufzulösen, um jeweils eigene Wege auf dem deutschen Mineralölmarkt zu gehen. Die richtige Entscheidung aus heutiger Sicht?

Chesterman: Auf jeden Fall. Bei unserem Einstieg 2011 hatten wir ein Gemeinschaftsunternehmen mit BP – ROG GmbH. 2015 haben wir gemeinsam mit der BP die Entscheidung getroffen, unser JV aufzulösen. Seitdem betreiben wir unsere deutschen Raffineriebeteiligungen – PCK Raffinerie in Schwedt (54,17 Prozent), Bayernoil (25 Prozent) und MiRO (24 Prozent) mit insgesamt rund 12,5 Millionen Tonnen Verarbeitungskapazität – in eigener Regie und vermarkten inzwischen auch sämtliche dort hergestellten Produkte komplett selber.

EID: Wie gestaltete sich der Weg in diese Selbstständigkeit?

Chesterman: Es war ein langer, intensiver und komplexer Prozess, galt es doch nicht nur, das Ruhr Oel-Joint Venture aufzulösen, sondern auch mit den anderen Partnern, mit denen Ruhr Oel in den verschiedenen Raffinerien zusammenarbeitete, Einigung darüber zu erzielen, wie die künftige gemeinsame Arbeit aussehen kann und soll.

Wir hatten natürlich konkrete Vorstellungen über unsere Strategie als eigenständig im Markt operierendes Unternehmen. Die Strukturen dafür mussten wir allerdings erst komplett neu aufbauen. Wenn man bedenkt, dass wir damals quasi mit nichts als einem weißen Blatt Papier vor uns loslegten, dann kann ich sagen, dass uns das wirklich gut gelungen ist.

EID: Wie haben Sie Ihr Team gefunden?

Chesterman: In die Berliner Büros sind wir Anfang 2017 gerade einmal mit rund 35 Kolleginnen und Kollegen gezogen. Dann haben wir das Team sukzessive aufgebaut, das jetzt aus gut 160 Leuten besteht – fast alles Experten aus der Branche.

EID: Den selbstständigen Produktenverkauf starteten Sie 2018 mit Bitumen. Wie lief das erste eigene Vermarktungsjahr?

Chesterman: Wirklich gut. Wir haben unsere Bitumenmengen vom Start weg an rund 130 Asphaltmischanlagen und Produktionsstätten verkauft. Es war eine erfolgreiche und auch lehrreiche Übergangsphase auf dem Weg zur Vollvermarktung sämtlicher Raffinerieprodukte. Lehrreich insbesondere auch, weil wir vom ersten Tag an sämtliche Prozesse selbst durchgeführt und nichts ausgegliedert haben.

EID: Und wie sieht Ihr Vermarktungsportfolio heute aus?

Chesterman: Die Vollvermarktung läuft. Nachdem wir zunächst schauen mussten, welche Produkte wir in welchen Mengen und Regionen anbieten wollen, verkaufen wir heute als Großhändler neben Bitumen auch Benzin, Diesel, Heizöl, JET A-1, Flüssiggas (LPG), schweres Heizöl (HFO), Residuals (unter anderem Koks), Schwefel sowie petrochemische Produkte aus der eigenen Raffinerieproduktion.

Die Vermarktung läuft über insgesamt 30 Lieferpunkte einschließlich der Raffinerien an Kunden in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen, der Tschechischen Republik und Frankreich. Dafür beladen wir inzwischen jeden Tag rund 600 Lkw und 200 Schienen-Kesselwagen mit den verschiedenen Produkten.

EID: Mengenmäßig ist der deutsche Mineralölmarkt weitgehend ausdefiniert. Wo sehen Sie dennoch Wachstumsmöglichkeiten für sich?

Chesterman: Zunächst einmal arbeiten wir ständig daran, die Prozesse in unseren Raffinerien zu verbessern – auch durch Digitalisierung – und so unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Auch wenn die Energiewende die fossilen Energieträger zunehmend unter Druck setzt, sehen wir auch Anwendungsbereiche, die ohne Öl nicht auskommen werden – zuvorderst in der Chemieindustrie – und damit eine Zukunft für unsere Raffinerien.

Man fragt uns oft, ob wir unsere Raffinerieanteile vergrößern möchten bzw. das Retail Business aufbauen wollen. Und gestatten Sie mir die allgemeine Aussage: Sollten sich auf der Raffinerieseite Opportunitäten für uns ergeben, schauen wir uns diese natürlich gerne an.

Darüber hinaus ist Marktwachstum für unser Unternehmen natürlich entlang der Wertschöpfungskette in Deutschland möglich …

EID: Das heißt, dass Sie sich ein eigenes Tankstellennetz zulegen möchten?

Chesterman: Ja, wenn sich Möglichkeiten ergeben, die natürlich auch wirtschaftlich sein müssen.

EID: Wie konkret sind die Überlegungen da heute?

Chesterman: Im Moment können wir über keine konkreten Pläne berichten. Es macht keinen Sinn, kleine Pakete von zwei, drei oder auch einmal fünf Stationen zusammenzusuchen. Solche Angebote sind im Markt sicherlich immer zu finden, weil das Tankstellengeschäft derzeit aber so gut läuft, allerdings auch nur zu den entsprechenden Preisen.

EID: Wie ist das Raffineriejahr 2018 für Ihr Unternehmen gelaufen?

Chesterman: Insgesamt sind wir mit dem vergangenen Jahr sehr zufrieden – wenngleich wir große Herausforderungen zu bestehen hatten. Die Erlöse waren sehr gut, wie ja auch die vom EID berechneten Brutto-Verarbeitungsmargen zeigen. Ab dem Spätsommer mussten wir uns dann mit der Niedrigwasserkrise auseinandersetzen, die ja vor allem entlang des Rheins die Ölversorgung schwierig machte. Und wir hatten zusätzlich den Unfall im Werksteil Voburg der Bayernoil-Raffinerie.

EID: Wie sehr beeinträchtigten die niedrigen Flusspegelstände Ihr Raffineriegeschäft?

Chesterman: Insbesondere für die süddeutschen Raffinerien Bayernoil und MiRO war es in der Tat eine sehr herausfordernde Zeit. Dort war es zum einen nicht immer leicht, die für die Produktion benötigten Komponenten anzuliefern, und dann kam es vor, dass die Werke auch am anderen Ende der Kette teilweise „verstopft“ waren, weil die fertigen Produkte wegen der fehlenden Transportkapazitäten nur unzureichend abgefahren werden konnten. Wir haben dann versucht, die Lage durch Anpassung der Fahrweise der Raffinerien mit zu beruhigen, was uns – so denke ich – auch ganz gut gelungen ist.

EID: Und wie ist die Situation in dem von dem Großbrand betroffenen Werksteil Voburg der Bayernoil-Raffinerie?

Chesterman: Die Reparaturarbeiten und die Planung zum Wiederaufbau kommen sehr gut voran. Wir gehen derzeit davon aus, die Produktion dort in diesem Frühjahr zumindest teilweise wieder starten zu können.

EID: Mr Chesterman, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Energie Informationsdienst, Ausgabe 15/19 vom 08.04.2019, Seite 20

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